2. Stationäres Fließverhalten
        2.1. Fließkurven und Modelle
        2.2. Temperatureinfluß und molekulares Fließen
        2.3. Ermittlung stationärer Fließgrößen

2.1. Fließkurven und Modelle

In diesem Abschnitt soll uns das stationäre Fließverhalten interessieren. Stationär bedeutet dabei, daß ein Material einer statischen Scherung (konstante Schergeschwindigkeit) ausgesetzt wird. Diese führt zu einer meßbaren, sich im Rahmen des rheologischen Versuches konstanten,  Reaktion des Stoffes (Schubspannung). Der Quotient aus Schubspannung und Schergeschwindigkeit ist eine Materialgröße, die als Zähigkeit bzw. dynamische Viskosität h bezeichnet wird. Die Dimension der dynamischen Viskosität ist Pa·s. Vielfach tauchen in der Literatur auch die Einheiten Poise (1mPa·s=1cP=1Zenti-Poise) und dyn·s/cm² auf. Neben der dynamischen Viskosität kann durch Division durch die Materialdichte die kinematische Viskosität n abgeleitet werden. Sie beschreibt das Verhältnis von Zähigkeits- und Trägheitseigenschaften eines Materiales und trägt die Dimension m²/s (10-6 m²/s=1cS=1Zenti-Stokes). Eine weitere gebräuchliche Größe zur Beschreibung des Fließeigenschaften ist die Fluidität. Sie ist nichts anderes als der Kehrwert der Zähigkeit und trägt entsprechend auch die reziproken Dimensionen der dynamischen Viskosität.

NEWTON leitete für einige Materialien, insbesondere einfache Flüssigkeiten wie z.B. Wasser, einen linearen Zusammenhang von Schergeschwindigkeit und Schubspannung ab. Man spricht dann auch von Stoffen mit einem NEWTONschen Fließverhalten bzw. NEWTONschen Fluiden. Für die Viskosität bedeutet es einen, von der Stärke der Deformation unabhängigen Wert, d.h. die Zähigkeit ist hier eine Stoffkonstante. Den Zusammenhang von Schubspannung und Schergeschwindigkeit, die sogenannte Fließkurve, sowie den Viskositätsverlauf für ein NEWTONsches Fluid zeigt Abb. 2-1.


Abb. 2-1 : Typische Fließ- und Viskositätskurven fließfähiger Systeme; (a) Newtonsches Verhalten, (b) strukturviskoses Verhalten, (c) dilatantes Verhalten, (d) pseudoplastisches Verhalten ohne (d1) und mit (d2) Scherverdickung bei hohen Scherraten

Die Abbildung deutet an, daß neben dem linearen, NEWTONschen Verhalten auch andere Verhaltensweisen existieren. Man spricht dann allgemein von einem Nicht-NEWTONschen Verhalten. Zu dieser Verhaltensgruppe gehören Stoffe, die mit steigender Schergeschwindigkeit verflüssigen (sinkende Viskosität; Kurven b, d1 und d2). Viele bekannte Materialien gehören zu dieser Gruppe (z.B. Ketschup, Feste Farbe, Zahnpasta). Dabei existieren Materialien, bei denen die Viskosität sehr stark mit sinkender Schergeschwindigkeit ansteigt. Bei geringsten Deformationsbelastungen scheint es dann, daß diese Stoffe fest sind und erst bei einer genügend hohen Belastung anfangen zu fließen. Einem derartigen, scheinbar plastischen Verhalten wird durch Einführung einer Fließgrenze in der Modellierung Rechnung getragen. Die Neigung zu einer sinkenden Viskosität wird meist auf die Zerstörung von Materialstrukturen und die Ausbildung von fließfreundlichen zurückgeführt. Das Verhalten wird von vielen Polymeren und insbesondere dispersen Systemen gezeigt.

Bei einer anderen Stoffgruppe steigt die Viskosität mit Erhöhung der Schergeschwindigkeit an (Kurve c). Ein Beispielsystem mit einem derartigen dilatanten bzw. scherverdickenden Stoffverhalten sind wäßrige Stärke-Suspensionen . Vielfach wird dieses Verhalten auch bei Suspensionen unter hohen Schergeschwindigkeit beobachtet (Kurve d2). Dort ist es auf die Ausbildung von Querkräften zur Strömung (Saffman- bzw. Magnuskräfte) und einen dadurch intensivierten Impulsaustausch zurückzuführen.
Ein anderer, ebenfalls zu einen scherverdickenden Verhalten führender Effekt ist die Dilatation. Bei diesem, insbesondere in konzentrierten Suspensionen auftretenden, Effekt wird durch die Scherung eine Volumenzunahme (größeres Porenvolumen) ausgelöst. Dies führt zu einem Unterdruck (Saugströmung) im Material, die letztendlich zu einer Viskositätserhöhung führt.
Deutlich wird dies bei der Betrachtung von nassem Meersand. Läuft man langsam über den Sand, so erzeugt man eine geringe Schergeschwindigkeit, sinkt tief ein und hinterläßt tiefe Abdrücke. Flache Abdrücke entstehen hingegen beim schnellen Laufen.

Die Fließ- und Viskositätskurven nach Abbildung 2-1 zeigen Verhaltensweisen, die meist durch ein- bis fünfparametrige Modelle angepaßt werden werden können (Abb. 2-2). Ein Modell, das eine Vielzahl von Fließkurven beschreiben kann, ist das allgemeine Potentzgesetz bzw. die HERSCHEL-BULKLEY-Beziehung. Der Schnittpunkt der Fließkurve mit der Ordinate liefert die oben beschriebene Fließgrenze to. Der Fließindex n und der Konsistenzfaktor k bestimmen den Anstieg der Fließkurve. Für t=0 liefert n>1 einen Viskositätsanstieg und beschreibt daher ein dilatantes Verhalten. Ein scherverdünnendes Verhalten wird hingegen durch einen Fließindex zwischen 0 und 1 charakterisiert.


Abb.2-2: Beschreibende Beziehungen für die Kurven aus Abb.2-1

Vereinfachungen des allgemeinen Potentgesetzes reichen häufig zur Beschreibung des Schergeschwindigkeitseinflusses auf die Schubspannung aus. Dabei ergibt die HERSCHEL-Beziehung:

Fließkurven mit zwei NEWTONschen (linearen) Bereichen (Kurve b in Abb.2-1) lassen sich mit dem allgemeinen Potenzgesetz nicht beschreiben. Die für kleine Scherraten ableitbare Nullviskosität h0 und die für großen Scherraten ermittelte Viskosität hB können jedoch für die Modellierung genutzt werden. Bei dieser Verhaltensweise existieren mit dem YASUDA- und dem CROSS-Modell auch allgemeingültige Beziehungen. Diese gehen durch Vereinfachung in das CARREAU (YASUDA mit a=2) bzw. in das ELLIS-Modell (CROSS mit h¥=0 ) über.

2.2. Temperatureinfluß und molekulares Fließen

Möchte man dem Temperatureinfluß auf das Fließverhalten verstehen, so muß man sich zunächst mit den Ursachen für den viskosen Fließwiderstand beschäftigen. Bei einer Scherung entsteht im Material eine Schubspannung, die auf zwei prinzipielle Beiträge begründet ist. Dies sind zum einen Kollisionen von Molekülen mit unterschiedlichem Impuls (massebehafteter Impulstransport) und zum anderen Beträge aus intermolekularen Wechselwirkungen (energetischer Impulstransport).

In Gasen haben die Moleküle eine vergleichsweise hohen Abstand. Intermolekulare Wechselwirkungen spielen nur eine untergeordnete Rolle. Die Moleküle können bei einer Scherung leicht aneinander vorbeigleiten, was sich auch in den geringen dynamischen Viskositäten der Gase zeigt. Wird nun die Temperatur im Gas erhöht, dann verstärkt sich die thermische Zufallsbewegung der Moleküle. Damit erhöht sich die Zahl der Kollisionen der Moleküle untereinander. Eine Geschwindigkeitsdifferenz zwischen Molekülen, wie sie bei der Scherung auftritt, wird durch die Kollsionen wieder ausgeglichen. Die Scherung kann nur unter erhöhtem Aufwand (Schubspannung) aufrecht gehalten werden. Die Viskosität von Gasen steigt daher mit ansteigender Temperatur.

Bei Flüssigkeiten stellt sich die Lage etwas anders dar. Durch den geringen Abstand der Moleküle dominieren intermolekulare Wechselwirkungen das Verhalten des Materials. Die Wechselwirkungskräfte zwischen den Molekülen sind so gestaltet, dass sie einen bestimmten Gleichgewichtsabstand der Moleküle einstellen. Sollen Flüssigkeitsmoleküle wie bei einer Scherung nah aneinander vorbeigleiten, so stehen die Wechselwirkungskräfte dem entgegen. Sie bewirken dadurch die im Vergleich zu Gasen hohe Viskosität der Flüssigkeiten. Wird nun bei Flüssigkeiten die Temperatur und damit die thermische Bewegung erhöht, dann werden durch die stärkere thermische Bewegung der Moleküle die Wechselwirkungskräfte zwischen ihnen leichter überwunden. Dadurch wird der Gleitvorgang erleichtert und die Viskosität sinkt.

In der unteren Abbildung ist das prinzipille Temperaturverhalten von Gasen und Flüssigkeiten in einem Diagramm dargestellt. Die angegebenen Formeln können das Verhalten näherungsweise beschreiben. Parameter für einige Gase können hier gefunden werden.

2.3. Ermittlung stationärer Fließgrößen
 Stationäre, dass heißt zeitunabhängige rheologische Größen können in einigen einfachen rheologischen Messungen bestimmt werden. Im folgende werden einige davon vorgestellt und ihre Arbeitsgleichungen genannt.

2.3.1 Kugelfallviskosimeter

Wird eine Kugel des Durchmesser dk in einer Flüssigkeit fallen gelassen, so bewegt sie sich nach einer Beschleunigungsphase mit einer konstanten Sinkgeschwindigkeit vs. Diese Geschwindigkeit kann durch Messung von Zeit und Weg ermittelt werden. Für diese Geschwindigkeit halten die Schwerkräfte und die aus der Bewegung resultierenden Widerstandskräfte ein Gleichgewicht. Die Kräftebilanz lautet :

(2.3.1)

Hierbei umschreibt der linke Term die Schwerkräfte abzüglich Auftriebskräften. Der rechte Term beschreibt die Widerstandskräfte. Der Widerstandsbeiwert cw ist eine Funktion der Reynoldszahl Re. Es gilt nach BRAUER :

Häufig wird im laminar umströmten Bereich mit Re<0,1 (Stokes-Bereich) gearbeitet. Hier gilt cw=24/Re und aus Gl. 2.3.1 wird nach umstellen :

Die Gleichung für den cw-Wert gilt für eine Bewegung in einem unendlich ausgedehnten Flüssigkeit. Die Messung erfolgt jedoch meist in einem Meßzylindern begrenztem Durchmesser D. Die hervorgerufene Verfälschung kann korrigiert werden nach :

Neben der frei fallenden Kugel gibt es weitere Ausführungen von Rheometern, die dem Prinzip nach dem Kugelfallviskosimeter entspricht. Dazu gehören das Kugelrollviskosimeter,das HÖPPLER-Viskosimeter sowie die Viskowaage.

Im Kugelrollviskosimeter fällt die Kugel nicht frei in einem Meßzylinder sondern rollt an einem schräg angestellten Meßzylinder entlang. Durch die Neigung des Meßzylinders kann die Belastung (Schwerkraft) schnell und einfach geändert werden. Damit erweitert sich der Meßbereich. Fällt beispielsweise eine Kugel für eine Messung viel zu schnell, dann kann mit einer geringen Neigung im Kugelrollviskosimeter die gemessene Zeit verlängert und so die Genauigkeit erhöht werden. Nachteil ist die komplexe Strömungsform während des Rollvorgangs. Die Viskosität erhält man näherungsweise für dK >>D nach :

Hier stellt f den Winkel gegenüber der Waagerechten dar.

Beim HÖPPLER-Viskosimeter (DIN 53015) fällt eine große Kugel (z.B.15mm) in einem leicht geneigten Rohr (10°,D=16mm). Die Fallgeschwindigkeit der Kugel wird durch die viskosen Kräfte im Spalt zwischen Rohr und Kugel bestimmt. Für die Viskosität besteht folgende Beziehung :

Die Apparate-Konstante K ist in Messungen mit Eichflüssigkeiten zu bestimmen. Die Zeit t wird zwischen zwei festen Meßpunkten ermittelt.

Für die Messungen im Kugelfallviskosimeter muß die Dichte der MeßFlüssigkeit bekannt sein. Desweiteren müssen die Flüssigkeiten durchsichtig sein. Diese Einschränkungen umgeht die sogenannte Viskowaage. Hier wird eine Kugel, die sich in der zu messenden Flüssigkeit befindet, an einer Seite einer Waage aufgehängt. An der andereren Seite wird eine Gewicht aufgelegt, wodurch sich die Kugel mit einer Geschwindigkeit aufsteigt. Der zurückgelegte Weg kann leicht an der Bewegung eines Zeigers, der im Drehpol angebracht ist, gemessen werden. Die Viskosität ergibt sich nach :
Hier steht mG für die Masse des aufgelegten Gewichts. K ist eine kugelspezifische Konstante, die mittels Eichflüssigkeit zu bestimmen ist.

 
2.3.2. Kapillarrheometer
In einem Kapillarrheometer wird eine Flüssigkeit durch eine Druckdiffernenz Dp durch eine Kapillare des Durchmessers d und der Länge L gedrückt. Dabei fließt ein Volumenstrom , der entsprechend gemessen wird. In der Kapillare bildet sich ein Strömungsprofil heraus. Soll eine Viskosität ermittelt werden, dann müssen Scherspannung und -geschwindigkeit an einem Ort bekannt sein. Hier wird der Ort mit der maximalen Scherspannung, die Wand gewählt. Entsprechend heißen die beiden zu ermittelden Größen Wandscherspannung tw und Wandschergeschwindigkeit . Für die Viskosität gilt dann :
Die Wandschubspannung ergibt sich aus der angelegten oder auch gemessenen Druckdifferenz :
Die Scherrate kann bei einer Newtonschen Flüssigkeit aus der vorgegebenen oder gemessenen Volumenstrom berechnet werden :
Bei einer Nicht-Newtonschen Flüssigkeit ist die Beziehung von Scherrate und Volumenstrom zunächst nicht bekannt. Mit der obigen Gleichung kann zunächst eine scheinbare Scherrate ermittelt werden. Danach muß eine Korrektur erfolgen, die dass Nicht-Newtonsche Verhalten berücksichtigt und als Weißenberg-Rabinowitsch-Korrektur bezeichnet wird. Dazu werden verschiedene Meßpunkte von Druckverlust und Volumenstrom in doppelt-logarithmischer Darstellung aufgetragen (siehe Diagramm). Aus der Darstellung wird der sich ergebende Anstieg:
in Nähe des Meßpunktes ermittelt. Die korigierte Scherrate ergibt sich dann nach :
Für eine Power-Law-Fluid (Herschel-Bulkley-Beziehung) ergibt sich in der Darstellung der Meßpunkte eine Gerade, deren Anstieg gerade der Fließindex ist. Die Darstellung kann damit auch zur Identifizierung des Nicht-Newtonschen Verhaltens genutzt werden.
Am Ausgang der Düse erweitert sich der Düsenstrahl auf Grund von Normalspannungskräften (siehe auch Kapitel 4). Ist die Erweiterung des Strahls meßbar, dann kann die erste Normalspannungsdifferenz leicht abgeleitet werden :

Die obigen Gleichung gelten für eine ideale Kapillarströmung. In Realität treten jedoch einige Effekte auf, die unter Umständen korrigiert werden müssen. Drei dieser Effekte werden folgend genannt und ihre Korrekturmöglichkeiten angegeben :

a) Ein- und Auslaufeffekt

Beim Eintritt der Meßflüssigkeit in die Kapillare treten Einlaufeffekte auf. Die laminare Strömung in der Kapillare muß sich zunächst ausbilden. Dafür ist eine entsprechende Anlaufstrecke erforderlich. Beim Übergang der Flüssigkeit in die Kapillare muß die Flüssigkeit eingeschnürt werden. Dadurch enstehen Impulsverluste, die in einen gemessenen Druckverlust mit eingehen. Gleiches gilt für den Austritt der Flüssigkeit aus der Kapillare. Die Querschnittserweiterung führt zu einem Verlust an kinetischer Energie, der einen zusätzlichen Beitrag zum Druckverlust liefert. Erkennbar und Korrigierbar werden die zusätzlichen Druckverluste in einem BAGLEY-Diagramm. Hier wird für konstante Volumenströme der gemessene Druckverlust als Funktion der Kapillarlänge dargestellt. Der Schnittpunkt der sich ergebenden Funktion mit der Ordinate stellt den zusätzlichen Druckverlust dar. Für die Bestimmung des Schnittpunktes bietet sich eine Polynomregression an.

Bagley-Plot zur Ein-/Auslaufkorrektur

b) Erwärmung der Probe

Durch die Scherung des Materials in der Kapillare wird das Material erwärmt. Dies gilt insbesondere für die wandnahen Bereiche, wo die Scherrate am größten ist. Durch die Erwärmung sinkt die Viskosität in der wandnahen Schicht, woduch eine Art Gleiteffekt entsteht. Die entstehenden Kurven täuschen damit eine scherdünnes Verhalten vor. Eine Korrektur der Temperatureffekte ist nur auf numerischen Wege möglich. Mit Hilfe der NAHME-Zahl kann abgeschätzt werden, ob eine relevante Erwärmung auftritt :
Hier ist b der Temperaturfaktor der Viskosität nach Abschnitt 2.2 und l die Wärmeleitfähigkeit der Flüssigkeit. Für Na>1 ist mit einem relevanten Einfluß der Temperatureffekte zu rechnen.

2.3.3. Rotationsrheometer

Bei der größten Anzahl an Rheometern rotiert ein Meßkörper in einer Fluidprobe bzw. die Probe wird durch ein rotierende Wandung begrenzt. Allgemein spricht man dann von einem Rotationsrheometer. Meßgrößen sind in jedem Fall Drehzahl und Drehmoment. Diese Meßgrößen korellieren mit den rheometrischen Größen Scherrate und Schubspannung. Die Beziehung hängt von der Art der Meßgeometrie ab. Drei der verbreitetsten Geometrieen werden folgende vorgestellt und ihre grundlegenden Beziehungen angegeben.

2.3.3.1. Koaxiale Zylindersysteme

Bei einem koaxialen Zylindersystem befindet sich ein zylindrischer Meßkörper in einem zylindrischen Außenzylinder. Einer der beiden Zylinder wird in eine Drehbewegung versetzt, wodurch im Spalt zwischen den Zylindern eine Scherströmung ausgebildet wird. Man unterscheidet grundsätzlich zwei Fälle. Bei einem rotierenden Innenzylinder spricht man von einem SEARLE-System, während ein rotierender Außenzylinder ein COUETTE-System kennzeichnet (Abbildung). Die Scherrate der Strömung im Spalt wird durch die Drehzahl n des jeweiligen Zylinders bestimmt :
Diese Beziehung gilt nur für eine großes Verhältnis von Radius des Außenzylinders ra und des Innenzylinders ri (ri / ra>0,99). Die Schubspannung äußert sich in einem meßbaren Drehmoment M :
Hier steht L für die Länge des Innenzylinders. Die Drehzahl bzw. das Drehmoment können bei einem Koaxiale-Zylinder-System einfach variiert werden. Dadurch kann die gesamte Fließkurve an einem relativ kleinen Probevolumen ermittelt werden. Wird eine ensprechende Scherrate vorgegeben und durch eine Steuerung konstant gehalten und die resultierende Schubspannung gemessen, dann spricht man von einem Controlled shear-rate (CSR) System. Im Gegensatz dazu stehen Controlled shear stress-Systeme (CSS), bei denen ein Drehmoment (Schubspannung) vorgegeben und die resultierende Drehzahl bzw. Schergeschwindigkeit gemessen wird. Die CSS-Systeme bringen einige Vorteile mit sich. Zum einen ermöglichen sie die direkte Bestimmung einer Fließgrenze. Zum anderen sind die regelungstechnischen Anforderungen bei einer Drehmomentenregelung gegenüber der Drehzahlregelung wesentlich geringer.

Einige Effekte müssen bei der rheomtrischen Messung mit koaxialen Systemem beachtet werden. Einige davon werden folgend behandelt :

*Endeffekte

Durch die Bewegung der Zylinder wird nicht nur entlang der Spaltfläche eine Schubspannung erzeugt. Auch an den Enden des Innenzylinders wird eine Scherströmung mit entsprechenden Beiträgen zum gemessenen Drehmoment erzeugt. Für ein flaches Ende des Innenzylinders kann eine Korrektur erfolgen. Bei newtonschen Meßmedien wird einfach das Drehmoment für verschiedene Füllhöhen des Spaltes gemessen. Die grafische Darstellung in einem Diagramm ergibt eine Linie M=f(h), wobei h ab Unterkante Innenzylinder gemessen ist. Die lineare Funktion schneidet die Abszisse bei einer negativen Höhe h*. Dies ist zu zusätzliche Zylinderhöhe durch Endeffekte. Für die Ermittlung des Schubspannung nach obiger Gleichung ist dann statt h der Term h+h* einzusetzen. Für ein Power-Law-Fluid mit dem Fließindex nF kann der zusätzliche Beitrag der Endflächen M* zum gemessenen Drehmoment analytisch abgeschätzt werden :
Da zunächst mal nF unbekannt ist, muß ein iteratives Verfahren zur Korrektur angewandt werden. Dazu werden zunächst die Endeffekte bei der Auswertung vernachlässigt und aus der Fließkurve der Fließindex ermittelt. Mit diesem ersten Fließindex wird die Korrektur der gemessenen Drehmomente vorgenommen und damit erneut ein Fließindex gebildet. Die Wiederholung der Prozedur führt zu einem korrigierten Ergebnis.

Eine einfachere Handhabung der Endeffekte erlauben diverse geometrische Gestaltungsvarianten des Zylindersystems. Bei einem DIN-System ist der Innenzylinder in Form eines Kegels abgeschlossen (Siehe Abb. oben). Durch geeignete Wahl von Kegelwinkel und Bodenabstand wird im Bodenspalt genau die gleiche Scherrate erzeugt wie im Seitenspalt. Dadurch werden auf Seiten- und Bodenflächen gleiche Schubspannungen gebildet. Für die Auswertung muß dann nur die zusätzliche Bodenfläche berücksichtigt werden. Diese Art von Zylindersystemen ist in der DIN 53019 standardisiert. Auch werden dort die Beziehungen für Drehzahl und Scherrate auf der einen und Schubspannung und Drehmoment auf der anderen Seite festgelegt.

Eine andere Möglichkeit den Endeffekten Herr zu werden, ist deren Vermeidung. Hierzu kann ein Innenzylinder genutzt werden, dessen Seitenflächen den Zylinderboden etwas überragen (Abb.). Beim Herunterfahren des Meßsystems wird am Boden eine Luftblase eingeschlossen. Während der Messung wird zwar auch diese eingeschlossene Luft geschert, jedoch ist der Beitrag zum gemessenen Drehmoment auf Grund der geringen Viskosität der Luft vernachlässigbar klein.

*Probenerwärmung

Im Vergleich zum Kapillarrheometer wird in einem Koaxiales-Zylinder-System ein relativ kleines Probevolumen geschert. Dadurch kommt es schnell zu einer Erwärmung der Probe. Daher werden diese Rheometersystem recht aufwendig thermostatisiert. Dies ermöglich häufig auch die Messung bei verschiedenen Temperaturen.

*Taylorwirbel

Rotiert in einem System koaxialer Zylinder der Innenzylinder mit hoher Geschwindigkeit, dann kommt es durch die Radialbeschleunigung der Flüssigkeit zur Ausbildung einer Sekundärströmung (Abb.). Die sich bildenden Wirbelballen werden Taylorwirbel genannt und machen eine Viskositätsmessung unmöglich. Ob Taylorwirbel auftreten, kann anhand der Taylorzahl Ta geprüft werden :
Bei einer Taylorzahl größer 41,3 bilden sich Taylorwirbel aus.

 

2.3.3.2. Kegel-Platte-System

Bei einem Kegel-Platte-System rotiert ein Kegel über einer Platte. In dem entstehenden Spalt befindet sich die Meßsubstanz. Die Umfangsgeschwindigkeit auf der Kegeloberfläche nimmt nach außen hin zu. Gleichzeitig wird durch die Kegelform die vertikale Spaltweite größer. Dies führt dazu, dass die Schergeschwindigkeit in vertikaler Richtung über dem Radius konstant bleibt. Damit der vertikale Schergradient dominiert, muß der Neigungswinkel des Kegels entsprechend klein sein (flache Kegelspitze). Die Scherrate im Spalt ergibt sich dann zu :
Der Neigungswinkel der Kegelspitze a ist in rad einzusetzen. Die Schubspannung ergibt sich aus dem Drehmoment M nach :
Besonders geeignet ist das Kegel-Platte-System für die Bestimmung von Normalspannungen (Siehe Abschnitt 5). Auch beim Kegel-Platte-Rheometer können Effekte auftreten, die die Messung verfälschen. Hier ist insbesondere der Randbereich zu beachten. Idealerweise hat die Flüssigkeitsoberfläche am Rand eine flache Form. Die Flüssigkeitsoberfläche kann jedoch unter Umständen, z.B. bei hohen Scherraten und der damit steigenden Radialbeschleunigung aufbrechen. Diese Instabilitäten können zum einen visuell beobachtet werden. Zum anderen zeigen sie sich in plötzlichen Änderungen beim gemessenen Drehmoment. In diesem Fall müssen die Ergebnisse verworfen werden.

2.3.3.3. Platte-Platte-System

Beim Platte-Platte-System wird eine Meßflüssigkeit zwischen zuneinander parallel ausgerichteten Platten, von den eine rotiert, geschert. Im Gegensatz zum Kegel-Platte-System ist die Schergeschwindigkeit nicht im gesamten Spalt gleich. Vielmehr steigt sie mit dem Radius an und erreicht ihr Maximum am äußeren Rand. Damit ähnelt es den Verhältnissen in einem Kapillarrheometer. Als charakteristische Scherrate wird die am äußeren Rand herangezogen :
Für die Schubspannung gilt bei einem Newtonschen Verhalten :
Bei unbekanntem Nicht-Newtonschen Verhalten muß analog dem Kapillarrheometer eine Korrektur erfolgen. Hier wird aus einer Darstellung des gemessenen Drehmomentes M über der charakteristischen Scherrate die lokale Ableitung abgelesen. Die korigierte Schubspannung ergibt sich dann zu :